Seit Monaten beschäftigt sich die Kreis-FDP intensiv mit den Folgen der neuesten Gesundheitsreform – und als der Kreisvorstand Arztpraxen im Nordlandkreis als Anlaufstellen bei einer Info-Fahrradtour am Montag suchte, wurde ganz schnell klar: das Thema ist brisant, die Hauptbetroffenen neben den Patienten – Ärzte und Zahnärzte – wollen loswerden, wo sie in der Alltagspraxis der Schuh drückt. Drei Stationen aus einer Fülle von Angeboten mussten deshalb René Wendland, Kreisvorsitzender, und Markus Krebs, Kreisschriftführer, auswählen, als sie zusammen mit Kreisrat Dr. Heinz Linduschka in gut vier Stunden am Montagnachmittag drei Praxen auf ihrer 50-Kilometer-Tour zwischen Sulzbach und Klingenberg besuchten.
Wichtiger Gast und Mitradler: Florian Rentsch, liberaler Landtagsabgeordneter aus Hessen, dort gesundheitspolitischer Sprecher der Partei und mit seinen 32 Jahren schon ein ausgewiesener Experte in Sachen Gesundheitspolitik. Er diskutierte mit Dr. Reinfried Galmbacher in Klingenberg, Dr. Jörg Barth in Erlenbach und Dr. Andreas Morgenroth in Elsenfeld-Rück. Morgenroth und Galmbacher sind Vorsitzende des „Ärztenetz Untermain“, in dem inzwischen mehr als 100 Ärzte zusammengeschlossen sind, um sich gemeinsam für ein funktionierendes Gesundheitssystem einzusetzen und die schlimmsten Auswirkungen der neuen Gesetzeslage zu verhindern.
Rentsch nahm eine Fülle von Anregungen mit nach Wiesbaden: Dass die neue Bonus-Malus-Regelung 500 Millionen Euro einsparen soll, die Verwaltungskosten sich jedoch auf 560 Millionen belaufen, dass diese Regelung zusätzlich das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gravierend beschädigen kann, war unumstritten. Weitere „Schildbürgerstreiche“ der neuen Gesetzgebung in der Praxis wurden angeprangert: So forderte auch Rentsch, den Ärzten die Freiheit der Verordnung zu gewähren, da sie schließlich auch die Verantwortung trügen: „Ich lehne diesen schlimmen Eingriff in die Therapiefreiheit entschieden ab!“
Weitgehend Übereinstimmung zwischen den Liberalen und den Ärzten gab in der Überzeugung, dass nur ein Standardtarif für medizinisch notwendige Grundleistungen und ein zusätzliches Angebot von Wunschleistungen in Zukunft eine Medizin garantiere, die bezahlbar bleibe und gleichzeitig medizinischen Fortschritt ermögliche. Einigkeit auch im Satz: „Die nun möglichen Wahltarife sind eine Mogelpackung und bringen keinen echten Wettbewerb.“
Unisono beklagen Ärzte und Liberale den Angriff auf die Entscheidungsfreiheit der Ärzte und auf die Freiberuflichkeit. Die Vermutung: Angela Merkel komme selbst aus einem System, in dem Polykliniken gang und gäbe waren. Die Sorge Morgenroths: „Wir bringen dieses System durch die Hintertür wieder herein, wenn wir die Hausärzte weiter schwächen und Versorgungszentren fördern.“ Damit, so auch Galmbacher, werde die wichtige persönliche Verbindung zwischen dem Patienten und „seinem“ Arzt zerstört.
Befürchtungen, dass wegen der Vernetzungen der Datenschutz gefährdet werden könne, und die Sorge, dass die neuen Regelungen die Eigenverantwortung der Patienten eher schwäche, waren auch in der Erlenbacher Zahnarztpraxis Barth zu hören. Dr. Barth kritisierte vor allem, dass die wichtigen Prophylaxe-Maßnahmen zurückgefahren würden, und forderte transparente und nachvollziehbare Abrechnungsverfahren, die den Ärzten Planungssicherheit garantiere und die Patienten über die tatsächlichen Kosten aufkläre.
„Durchforsten wir die Kassenleistungen“ forderte Dr. Morgenroth, der versicherungsfremde Leistungen herausnehmen will. Er war sich mit Rentsch einig, dass so der Kassenbeitrag um 1,7 Prozentpunkte sinken könne: „Mutterschaftsgeld und die Alimentierung von Hartz-4-Leuten ist eine gesellschaftspolitische, keine kassenpolitische Leistung.“
Besonders beklagt wurde, dass die Politik der Gesundheitsministerin Ulla Schmitt auf eine Zerstörung der Privaten Krankenkassen hinauslaufe – und darunter würde das gesamte Gesundheitssystem weiter leiden, auch darin waren sich Ärzte und Liberale einig.
Rentschs Versprechen am Ende: „Wenn wir zunächst in Hessen und ein Jahr später im Bund wieder an der Regierung beteiligt sein werden, müssen wir versuchen, die schlimmsten Fehler wieder gut zu machen – manches aber wird nicht mehr zu reparieren sein.“